Der Auslöser...

...für dieses Projekt war ein Schlüsselbeinbruch, den ich mir beim Mountainbiken im Sommer zuzog. Man hat plötzlich viel Zeit zum Internetsurfen, Herumsitzen und Nichtstun (gezwungener Maßen), somit auch viel Zeit um z.B. Fahrradkomponenten online zu kaufen/ersteigern.

Ausgangsbasis...

...war (mehr oder weniger) mein Cannondale Rize 4L aus dem Jahr 2009, damals ein günstiges All Mountain Modell mit "Lefty", welches ein wenig an meine persönlichen Bedürfnisse angepasst wurde. Ich bewegte mich mit diesem Rad in den letzten 4 Jahren knapp 7000km und weit über 100000hm (Höhenmeter), meist auf nicht asphaltierten Feld- und Wanderwegen, ist zwar nicht übermäßig viel, aber doch schon recht regelmäßig.

Was von diesem Sportgerät letztendlich übrig bleibt zeigt sich in diesem Bericht weiter unten...

Alle Fotos: Hier...

Das Ziel...

... - gab es eines? Vielleicht die Erkenntnis zu erhalten, um wie viel so ein Mountainbike leichter wird, wenn die meisten Komponenten etwas leichter/teurer sind. Es sollte definitiv kein "Superleichtbau-Ausstellungsstück" werden, sondern nach wie vor ein robustes Touren-Mountainbike mit gleicher Stabilität und weitgehend der selben Geometrie bleiben. Technisch sollte dabei das Rad wieder auf neuwertigen Stand gebracht werden, es wurden also bei dieser Gelegenheit sämtliche Verschleißteile bei Antrieb, Schaltung, Bremse und Fahrwerk getauscht.


Wissenschaftlich...

...wurden die passenden Teile ausgewählt. Viele Fragen tauchten auf, angefangen bei der Schaltung - was nimmt man bzw. was braucht man? 1x11, 2x10, 3x9, 3x10? Welche BB30-Kurbelgarnitur? Spätestens da sollte dann die "Schaltungsfrage" geklärt sein. Was für Laufräder, Lenker, Vorbau u.v.m.. Was ist robust, bewährt, langlebig, leicht und preislich erschwinglich bzw. irgendwo günstig zu bekommen...?

Hier im Überblick die wesentlichen (also nicht alle) Komponenten, die nach einigen Monaten, mühsam suchend, ersteigert oder im Abverkauf günstig ergattert wurden:

Cannondale Rize Carbon 1 (Größe L)

Mit diesem Rahmen fing das Projekt an.

Handgemacht, hochwertig, robust, steif, 2313g leicht mit bereits montierten Tret- und Steuersatzlagern.

   

DT Swiss XCR 1.5 Race Edition

Gutes Preis Leistungsverhältnis, diese Laufradsätze wurden exkl. für Cannondale gefertigt und man kann diese relativ günstig und neu bei eBay abstauben. Der Satz wiegt 1606g komplett, keine Fahrergewichtsbeschränkung, also auch stabil.

   

Cannondale Lefty Max Carbon PBR

Leichter, stabiler, steifer und weicher als andere Gabeln.

Passt perfekt zum Rahmen, 140mm Federweg, 1275g leicht ...man wird derzeit nicht viel Vergleichbares auf dem Markt finden...

   

Cannondale XC3 Vorbau

Vorbau und Steuerrohr aus einem Stück, stabile, hochwertige Ausführung, 257g komplett. Der Vorteil zum aktuellen OPI Vorbau ist meiner Meinung nach, daß das geniale und praktische "Head Wrench Tool" (Werkzeug) ins Rohr passt.

   

FSA XC-190 OS Rizer 680mm

Hochwertiger Alu-Lenker, kostengünstig zu bekommen im Vergleich zu den Carbon-Modellen, die (je nach Ausführung) oft nicht um vieles leichter sind. 2cm breiter als beim alten Rad und trotzdem um gute 30g leichter.

   

Cannondale Hollowgram SL 3-fach

Mit einem bisher unerreichten Steifigkeits- zu Gewichtsverhältnis gehören diese Kurbeln zu den Besten auf dem Markt. Zusammen mit den BB30 Keramiklagern soll das Ganze dauerhaft haltbar und supersteif sein. 683g komplett mit allen Kleinteilen und Lagern.

   

Komponenten vom alten Rad:

Schaltung: Shimano XT 3x9 komplett (Hebel, Schaltwerk, Umwerfer, Kassette)

Bremsen: Avid | SRAM X0 mit neuen XX-Scheiben (185 und 160mm)

Matchmaker Adapter: Trickstuff Clapton (Bremse und Schaltung auf einer Schelle - absolut GENIAL!)

Dämpfer hinten: Fox FLOAT RP23 (mit passender Abstimmung)

Sattelstütze: FSA XC-190 SB0 31,6mm

Sattel: SQlab 611 (passend für meinen A.)

Griffe: SQlab 711 (passend für meine Hände)

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Begonnen...

...hat der Aufbau mit dem Zerlegen der hinteren Schwinge des Rahmens, ich wollte den Zustand der Schwingenlager überprüfen und diese durch einfetten äußerlich vor Korrosion zu schützen, da die verbauten Industrielager sonst schnell Rost ansetzen.

Die Demontage des großen Schwingenbolzens war nicht ganz leicht, nachdem dieser komischerweise sehr fest im Rahmen steckte baute ich mir einen Abzieher aus den Teilen des BB30 Lagersetzwerkzeuges (was zufällig von der Größe her genau passte), einer Gewindestange, ein paar Beilagen, Muttern, etwas Klebeband zum Schutz der Teile und einer 32er Nuß. Damit konnte der Bolzen "gewaltfrei" herausgezogen werden. Schuld am Festsitzen des Bolzens war letztendlich Lack im Loch der Bolzenaufnahme, nach vorsichtigen Entfernen der Lackrückstände und reinigen der Aufnahme konnte der Bolzen, wie alle anderen Hinterbau-Schrauben, leicht montiert und entfernt werden.

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 Die Dämpferwartung war bei der Gelegenheit auch schnell erledigt, es wird kein besonderes Werkzeug dafür benötigt, nur das Wartungsset "Fox Racing Shox Air Seal Kit". Die Einbaubuchsen des Dämpfers wurden gegen die neue 2013er Ausführung getauscht, die Alu-Kunststoff-Konstruktion mit beidseitiger O-Ring-Abdichtung soll lt. Hersteller 10mal so lange halten und auch das Ansprechverhalten verbessern. Für die Demontage der alten Metall-Buchsen wird allerdings ein spezielles Auspresswerkzeug benötigt.

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Der Rahmen wurde mit ein paar Schutz- und Reflextorfolien beklebt, lt. Cannondale-Rize-Handbuch soll bei der Carbonvariante immer ein Unterrohrschutz aufgeklebt sein. Die original Unterrohrschutzfolie ist von der Passform nicht sehr ideal, deshalb wurde eine passgenauere aus 3M Scotchgard Lackschutzfolie angefertigt.

Eine schwarze Reflektorfolie (3M Scotchlite) wurde hinten am Sitzrohr in das schwarze Feld eingesetzt. Bei Tageslicht kaum erkennbar sorgt diese bei Dämmerung und Nacht für zusätzliche Sicherheit. Weitere Schutz- und Reflektorfolien wurden noch an div. Stellen und Teilen angebracht, mehr dazu später...

Nachdem Dämpfer, alle Schwingenteile und Rahmen wieder verschraubt waren, wurde die BB30-Achse mit allen Abdeckungen, Distanzen, Lefty, Steuersatz und Lenker montiert. Wichtig bei Leichtbauteilen ist immer das richtige Anzugsmoment, daher sollte man immer einen Drehmomentschlüssel verwenden. Bevor Lefty und Steuersatz fest verschraubt werden können, muß der Geradeauslauf eingestellt werden (Steuerrohr und Vorbau sind ja aus einem Stück). Ein montiertes Vorderrad ist für die genauere Einstellung hilfreich, auch die Lenkerneigung kann mit montierten Rädern besser eingestellt werden.

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Die Kurbelgarnitur brachte etwas Verzögerung in das Projekt, da sich leider alle Kettenblätter mit einem Seitenschlag bewegten. Schuld daran war der "Spider", wo die Kettenblätter befestigt sind. Offensichtlich ist etwas bei der Produktion des Teiles schief gegangen, optisch konnte man zwar nichts erkennen, nach dem Austausch bewegte sich aber alles so wie es sein soll.

Die Montage des Kurbel-Sets war mit der Anleitung und den passenden Spezialwerkzeugen absolut problemlos. Für das Setzen der Lager im Rahmen wird ein BB30-Lagereinpresswerkzeug benötigt, nur so kann man die Lager ordentlich und gewaltfrei montieren ohne die Lagersitze zu beschädigen. Dieses Werkzeug bekommt man ohne Presse für ein paar Euro, mit 2 Drehteilen, einer Gewindestange, ein paar Beilagscheiben und Muttern hat man eine sehr günstige Alternative zur doch eher teuren Presse. Einen "Hollowgram-SL-Kurbelabzieher" sollte man auch haben, da man die rechte Kurbel für die richtige Distanzierung mindestens einmal abnehmen muß. Wichtig ist auch hier ein Drehmomentschlüssel (natürlich mit passender 10er Inbusnuß und dem "Lockring-Werkzeug" zur Montage des "Spiders"). Ohne Drehmomentmessung hätte ich den Lockring (Anzugsmoment 47-54Nm) und die Kurbelschrauben aus Alu (Anzugsmoment 34-41Nm) nie so fest angezogen, was aber in Anbetracht der Kräfte, die später beim Fahren auf diese Teile einwirken, durchaus eine Notwendigkeit ist. Fett und Schraubensicherung (Loctite 242) wurde natürlich auch entsprechend der Montageanleitung verwendet.

Nun waren Rahmen mit Hinterbau, Dämpfer mit passender Druck-/Zugstufen-Abstimmung, Lefty samt Vorbau und Lenker mit passender Geometrie und die keramisch gelagerte, steife und leichte "Cannondale Hollowgram SL Kurbelgarnitur" montiert.

 

 

 

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Die restlichen Komponenten wurden vom alten Rad übernommen. Sattel mit Sattelstütze wurden einfach umgesteckt, der neue Rahmen ist in Geometrie und Größe gleich, daher sind auch keine weiteren Einstellungen notwendig. Ist man erst mal den SQlab 611 (in der richtigen Breite) gewöhnt, will man keinen anderen Sattel mehr fahren, nicht umsonst wurde dieses Teil so oft ausgezeichnet. Nach knapp 4 Jahren und 7000km hat der Sitz kaum Gebrauchsspuren, die Polsterung und der Bezug sind noch immer Top! Ergonomische SQlab 711 SY werden zur Entlastung der Hände montiert.

Bei der Schaltung habe ich mich nach genauerer Überlegung für das vorhandene 3x9 System, mit vorne 22/32/44 und hinten 11-34 Zähnen, entschieden. Eine 3x10 Schaltgruppe bietet keine wesentlichen Vorteile und eine 2fach Kurbel nicht die hohe Übersetzungsbandbreite, welche aber meiner Meinung nach ein "All-Mountain-Bike" haben sollte um möglichst alle fahrbaren Berge und Steigungen damit überwinden zu können. Daher wird einfach die komplette Shimano XT Schaltgruppe übernommen, diese Komponenten sind zwar nicht die leichtesten, aber Qualität und Preis/Leistung stimmen absolut! Die Kassette hinten wurde in der letzten Saison erneuert, Schaltzüge und Kette werden in Zuge des Umbaus getauscht, alle anderen Teile wurden gereinigt und geschmiert.

 

 

 

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Das vorhandene "Avid | SRAM X0" Scheibenbremssystem läßt eigentlich keine Wünsche offen, leicht, sehr gute Bremsperformance, Dosierbarkeit und Standfestigkeit, zudem können Griffweite und Druckpunkt eingestellt werden. Neue XX-Bremsscheiben (vorne Ø185mm, hinten Ø160mm) wurden verbaut, da die Scheiben vom alten Rad bereits an der Verschleißgrenze waren. Das zweiteilige Design der Clean Sweep X Scheibe soll laufruhiger und beständiger sein, als bei der Clean Sweep G3, zusätzlich sind diese etwas leichter (und teurer). Die vordere Bremsleitung wurde etwas gekürzt, beide Hydraulikkreise wurden nach der Montage entlüftet.

Avid Bremshebel und Shimano Schalthebel werden mittels "Trickstuff Clapton" gemeinsam an den Avid Matchmaker X montiert, das spart nicht nur Gewicht und sieht schön aus, sondern verbessert auch die Ergonomie bzw. die Anordnung der Schalthebel, wenn man die Bremshebel an der richtigen Stelle für die Einfingerbedienung anbringt.

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Alle Komponenten waren nun montiert und eingestellt. Es fehlten nun nur noch die richtigen Reifen, ein paar Rahmenschutzfolien (wo Bowdenzüge und Bremsleitungen am Rahmen aufliegen) und ein paar Reflektorfolien zwecks Sicherheit.

Bei den Reifen kommt der Allrounder "Continental X-King Racesport" zum Einsatz, leicht und trotzdem pannenresistent, schnelles und trotzdem sehr griffiges Profil, vorne 2,4" und hinten 2,2" um die ohnehin schon guten Eigenschaften noch ein wenig zu verbessern. Die Reifen werden klassisch mit Schlauch montiert, ob mit oder ohne ist heutzutage wohl eher eine Philosophiefrage, beides hat sicher Vor- und auch Nachteile - für mich tut's das aber. Superleichte "Rennreifen" schlauchlos und ohne ausreichenden Pannenschutz kommen für mich sowieso nicht in Frage, dazu hatte ich schon zu viele Platten...

Optisch wurden noch ein paar Kleinigkeiten ergänzt/verändert, es wurden ein paar Aufkleber angefertigt und der Griff des "Cannondale Head Wrench Tools" farblich angepasst - der war sowieso schon abgegriffen...

 

 

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Das Endprodukt...

...ist vorzeigbar. Das Fahrrad ist um ein gutes Kilo leichter geworden (Gewicht ohne Pedale: 10,90 kg, komplett mit Pedale und Flaschenhalter: 11,30kg), bei gleicher Tourentauglichkeit und Stabilität und wesentlich höherer Steifigkeit!

Man könnte ohne großen Aufwand, z.B. durch einen leichteren Sattel (unbequeme "Carbonplatte"), leichtere Reifen, Pedale und Griffe, bis zu 0,7kg einsparen, somit wäre man dann deutlich unter 11 kg, man hätte aber im Einsatz dadurch klare Einschränkungen bzw. Nachteile.

Preislich kann man bei einem solchen Selbstbau-Projekt bis zu zwei Drittel an Geld sparen, vorausgesetzt man kauft großteils Abverkaufsware und hat bereits die meisten Werkzeuge, die man dafür braucht, in der eigenen Werkstatt.

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Die Erkenntnis...

..dieses Projekts ist, daß ich von der Stange so ein Mountainbike aus diesem Preissegment eher nicht kaufen würde, Preis, Leistung und Nutzen stehen einfach in keiner vernünftigen Relation mehr für das "private Freizeitvergnügen". Ein wesentlich günstigeres Rad aus dem mittleren Preissegment, so wie die "Ausgangsbasis" dieses Vorhabens, ist mit Sicherheit auch ausreichend, wobei wiederum "nur ausreichend" bei Weitem nicht soviel Spaß macht...

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Alles...

 ...was man für die Durchführung eines solchen Projekts benötigt, ist etwas technisches Verständnis, Geduld, technische Unterlagen/Anleitungen der Hersteller und das passende Werkzeug.

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Technische Dokumente:

http://www.cannondale.com/manuals/

http://techdocs.shimano.com/

http://www.sram.com/service/

http://www.fullspeedahead.com/techdoc/

http://www.dtswiss.com/support/

http://tds.loctite.com/


Dieses Dokument...

...beschreibt nur meinen persönlichen Lösungsweg für den Selbstbau eines tourentauglichen Mountainbikes, es gibt sicher viele Möglichkeiten und Varianten dafür. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jeder Nachbau geschieht unter vollständiger Eigenverantwortung.

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